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Armutsquote in Thüringen gestiegen und über Bundesdurchschnitt – Spitzenreiter ist Mittelthüringen

Neudietendorf, 10.03.2023 | Laut dem heute erschienen Armutsbericht des Paritätischen (https://www.der-paritaetische.de/) sind 16,9 % der in Detuschland lebenden Menschen von Armut betroffen. Das heißt, 14,1 Millionen Menschen zählen zu den Einkommensarmen. Noch nie wurde auf der Datenbasis des Mikrozensus eine höhere Armutsquote für das Bundesgebiet gemessen.
Für Thüringen sind die Zahlen ebenfalls allarmierend: 19 Prozent sind hier von Armut betroffen. Nur noch NRW, Sachsen-Anhalt, Berlin und Bremen schneiden noch schlechter ab. Im Vergleich zu 2020 ist die Armutsquote in Thüringen um 6,1 % gestiegen – eine alarmierende Entwicklung.
Regional für Thüringen betrachtet, sehen die Quoten wie folgt aus: Mittelthüringen 20,5 %, Nordthüringen 19, 9 %, Ostthüringen 18,9 %, Südthüringen 16,0 Prozent. Damit ist Südthüringen die einzige Thüringer Region, die unter dem Bundesdurchschnitt liegt.
Die Inflation als alleinige Ursache für diese Entwicklung zu sehen, ist zu kurz gegriffen. Zum einen zeigt sich, dass die inflationshemmenden Maßnahmen der Bundesregierung nicht zielgerichtet waren und somit den Anstieg der Armutsquote nicht verhindern konnten. Zum anderen dürfen die strukturellen Ursachen nicht außer acht gelassen werden. Neben der Erhöhung des Bürgergeldes, bedarf es darüber hinaus aus Sicht des Paritätischen der Einführung der einkommens- und bedarfsorientierten Kindergrundsicherung, der Stärkung der Arbeitslosenversicherung bzw. des Arbeitslosengeldes 1, der zukunftsorientierten Neuaufstellung der gesetzlichen Rentenversicherung inklusive der Erwerbsminderungsrenten als allgemeine Bürgerversicherung mit armutsfester Mindestrente und einer konsequenten Mietpreisdämpfungspolitik. Ebenso wichtig ist es, die Integration in den Arbeitsmarkt für Menschen mit Migrationshintergrund voranzutreiben. Insbesondere in Thüringen müssen die Rahmenbedingungen der Arbeitsmarktpolitik entsprechend angepasst werden. Unbenommen davon bleibt Bildung ein Garant für Armutsprävention. Umso wichtiger ist es, in der frühkindlichen Bildung Programme wie PIA , Sprachkitas und Vielfalt vor Ort dauerhaft zu etablieren.

Zur INFO Studiengrundlage:

Die Armutsquoten, mit denen in diesem Bericht gearbeitet werden, beruhen auf dem sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Der Mikrozensus ist die mit Abstand valideste Datengrundlage zur Berechnung von Armutsquoten in Deutschland. Beim Mikrozensus (kleine Volkszählung) wird nach einer Zufallsstichprobe jährlich etwa ein Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt (circa 370.000 Haushalte bzw.

810.000 Personen). Der Stichprobenumfang ist damit weitaus größer als beim Sozioökonomischen Panel des DIW mit rund 15.000 Haushalten und 30.000 Personen,

das ebenfalls zur Berechnung von Armutsquoten herangezogen wird.

 

Zur INFO Armut:

Das Statistische Bundesamt und auch dieser Armutsbericht folgen einer bereits fast 40 Jahre alten EU-Konvention, was die Definition und die Berechnung von Armut anbelangt. In Abkehr von einem sogenannten absoluten Armutsbegriff, der Armut an existenziellen Notlagen wie

Obdachlosigkeit oder Nahrungsmangel festmacht, ist der Armutsbegriff der EU ein relativer. Arm sind demnach alle, die über so geringe Mittel verfügen, „dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist“, wie es im entsprechenden Kommissionsbericht heißt.50

Dieser EU-Konvention folgend zählt dieser Bericht jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld,

Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen. Das Konzept relativer Einkommensarmut zeichnet sich durch die Annahme aus, dass in unterschiedlich wohlhabenden Gesellschaften Armut sehr unterschiedlich aussehen kann und vor allem durch gesellschaftlichen Ausschluss, mangelnde Teilhabe und nicht erst durch Elend gekennzeichnet ist. Mit zunehmendem Wohlstand einer Gesellschaft verändern sich Lebensweisen und es können neue Barrieren der Teilhabe entstehen, wenn

dieser Wohlstand nicht alle relativ gleichmäßig erreicht. So kann nach diesem Konzept auch – oder gerade – bei wachsendem Reichtum (und zunehmender Einkommensspreizung) Armut in einer Gesellschaft durchaus zunehmen, selbst wenn die Kaufkraft aller im Durchschnitt steigen sollte.

Illustration: Christian Kirchner

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