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Zum internationalen Tag der Pflege - Paritätischer Thüringen: Lasst uns endlich handeln

Bedarfsgerechte Pflege wird zum Luxusgut. Die Versorgungssicherheit ist gefährdet

Neudietendorf, 10.05.2024 | Laut den aktuellen Zahlen des Thüringer Landesamtes für Statistik steigt die „Zahl der Pflegebedürftigen in Thüringen bis 2042 auf 211 Tausend Personen bzw. um 27,0 Prozent gegenüber 2021, als es noch 166 Tausend Pflegebedürftige gab. Damit werden nach der Vorausberechnung des Thüringer Landesamtes für Statistik in 20 Jahren voraussichtlich 11 Prozent der Bevölkerung Thüringens pflegebedürftig sein – mehr als die Hälfte davon Frauen (60,1 Prozent).“ (Thüringer Landesamt für Statistik - PM Nr. 095/2024)

„Seit Jahren weisen der Paritätische Thüringen und andere Verbände darauf hin, dass allein die demografische Entwicklung die Pflege zu einer Zeitbombe macht. Diese Zahlen des Landesamtes belegen das. Wieder einmal. Für uns stellt sich inzwischen die Frage, wie schlimm und erschreckend die Zahlen sein müssen, bis die politischen Entscheider Handlungsdruck verspüren. Vorschläge zur Lösung liegen auf dem Tisch. Mehr als einer. Und alle, die mit der Pflege zu tun haben, sind bereit, die Pflege zu reformieren. Die Politik muss sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden, diese annehmen und handeln. Wir sind bereit!“, erklärt Steffen Richter, stellvertretender Landesgeschäftsführer des Paritätischen Thüringen.


Für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung ist bereits heute die private finanzielle Absicherung einer möglichen Pflegebedürftigkeit nicht mehr leistbar. Gleichzeitig führt die demografische Entwicklung insbesondere in ostdeutschen Bundesländern dazu, dass die Anzahl pflegebedürftiger Menschen stark ansteigen wird, während sich aufgrund niedriger Geburtenraten der Kampf um qualifiziertes Personal weiter zuspitzt. Darüber hinaus werden die finanziellen Spielräume der Pflegekassen immer enger. Trotz der Erhöhung der Beitragssätze im Sommer 2023 geht der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen davon aus, dass die Pflegekassen bereits im Jahr 2025 wieder rote Zahlen schreiben werden. Demgegenüber geht aus den aktuellen Daten des DAK-Pflegereports vom April 2024 hervor, dass erst jede dritte Person ab 50 Jahren für den Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit vorgesorgt hat.

Mit Blick auf die Einkommenssituation in Deutschland ist das Gefälle zwischen West- und Ostdeutschland nach 33 Jahren Wiedervereinigung immer noch eklatant. Im vergangenen Jahr verdienten Vollzeitbeschäftigte in Ostdeutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts durchschnittlich 824 Euro brutto pro Monat weniger als Mitarbeitende im Westen der Bundesrepublik. In Thüringen lag der Anteil an Beschäftigungsverhältnissen unter 14 Euro pro Stunde bei 28 Prozent. Damit teilte sich Thüringen den vorletzten Platz im bundesweiten Ranking mit Sachsen-Anhalt. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung hat somit nicht die Möglichkeit privat vorzusorgen. Zusätzlich wirkt sich ein geringes Einkommen negativ auf die Rentenansprüche aus. Im Kontrast hierzu steht die galoppierende Kostensteigerung in Bezug auf die Inanspruchnahme pflegerischer Leistungen. Treiber hierfür waren die in den vergangenen Jahren krisenbedingten inflationären Preisentwicklungen, aber auch die Umsetzung des Tariftreuegesetzes, welches zurecht die Einkommenssituation von Pflegekräften maßgeblich verbesserte.

Eine umfassende Reform der Pflegeversicherung, um die gestiegenen Kosten abzufedern, konnte jedoch nicht durchgesetzt werden. Beispielsweise sind die Kosten für einen Heimplatz nach aktuellen Daten des Verbandes der Ersatzkassen vom Januar 2024 erneut gestiegen. Trotz erhöhter Entlastungszuschläge zum Jahreswechsel müssen Pflegebedürftige für die Unterbringung in einem Pflegeheim 2.248 Euro brutto pro Monat zahlen und damit 255 Euro mehr als im Vorjahr. Auch die Kosten für ambulante Pflegesachleistungen steigen stetig an, was damit einhergeht, dass notwendige Pflegeleistungen im schlimmsten Fall nicht in Anspruch genommen werden können, da die Zuzahlungen aus eigener Tasche nicht mehr tragbar sind.

Die Folge: Immer mehr Menschen sind auch trotz durchgängiger Erwerbsbiografie von Sozialhilfe abhängig, wenn sie eine adäquate pflegerische Versorgung in Anspruch nehmen wollen.

Allerdings löst Geld allein die strukturellen Probleme der Pflege noch nicht. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der damit verbundene Bürokratieabbau geht im europäischen Vergleich nur sehr schleppend voran. Die starre Bürokratie und technokratische Dokumentationsanforderungen führen dazu, dass Personal unnötig gebunden wird, welches schon jetzt in Anbetracht des bundesweiten Fachkräftemangels fehlt und für die direkte Versorgung von Pflegebedürftigen so dringend benötigt wird. Auch die langfristige Gewinnung und Bindung von Pflegepersonal aus dem In- und Ausland muss verbessert werden, damit die Versorgungssicherheit auch in Zukunft sichergestellt werden kann. Die Herausforderungen sind vielseitig und der Reformstau ist groß. Insofern ist nicht nur eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung notwendig, um die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit zu gewährleisten, sondern auch praktikable und bürokratiearme Lösungen sowie sektorenübergreifende Konzepte, um die Praxis direkt zu entlasten.

Illustration: Christian Kirchner

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