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Chancen-Aufenthaltsrecht in Kraft, Anwendungshinweise des BMI

1.        Neues Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) und Novellierung des § 25a und § 25b AufenthG in Kraft– BMI-Anwendungshinweise erschienen
2.        Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse – Erweiterung des Zugangs
3.        Bundesverfassungsgericht: AsylbLG-Kürzungen in Flüchtlingsunterkünften für Alleinstehende/Alleinerziehende verfassungswidrig
4.        Parität fordert im Bündnis mit 62 Organisationen Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
 
1. Neues Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) und Novellierung des § 25a und § 25b AufenthG in Kraft – BMI-Anwendungshinweise erschienen

 
Am 31.12.2022 ist das neue Chancen-Aufenthaltsrecht in Kraft getreten. Damit wird geduldeten Personen, die sich am 31.10.2022 seit 5 Jahren ununterbrochen mit Aufenthaltserlaubnis, Gestattung oder Duldung in Deutschland aufgehalten haben, eine Aufenthaltserlaubnis ohne Lebensunterhaltssicherung und Identitätsklärung erteilt. Die neue „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ wird für die Dauer von max. 18 Monaten erteilt, um in dieser Zeit die Voraussetzungen für einen Übergang in die Bleiberechtsregelungen nach § 25a oder § 25b AufenthG zu erfüllen und damit eine langfristige Aufenthaltslegalisierung und -verfestigung erreichen zu können. Familienangehörige (Ehe-/Lebenspartner*innen, ledige Kinder bis 18 Jahre sowie ledige Kinder über 18 Jahre, sofern ihre Einreise unter 18 Jahren erfolgte) können gleichfalls von der Regelung profitieren.
Von der neuen Regelung können auch Personen mit Arbeitsverboten (auch aus sog. sicheren Herkunftsländern) sowie Personen mit einer Duldung light nach § 60b AufenthG profitieren; der Zugang zum Arbeitsmarkt ist mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG eröffnet; die Ausländerbehörden haben hier kein Ermessen.
Im Zuge des Gesetzes zu Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts wurden gleichzeitig § 25a und § 25b AufenthG novelliert.


 1.1. Wesentliche Voraussetzungen für den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG:

  • 5 Jahre Aufenthalt bis zum 31.10.2022 erreicht (gilt bei Familien nur für eine (Referenz-)Person; Familienangehörige müssen noch keine 5 Jahre Voraufenthalt erbringen); Zeiten mit einer Duldung light (§ 60b AufenthG) werden angerechnet
  • ein Antrag muss bei der örtlichen ABH gestellt werden (Empfehlung: Antrag sowohl bei der örtlichen ABH als auch bei der zuständigen Zentralen ABH im Regierungspräsidium stellen).
  • Duldungsstatus zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den erforderlichen Antrag
  • Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (ab 16 Jahre erforderlich)
  • keine vorsätzlichen Straftraten mit mehr als 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten, die nach dem Aufenthalts- oder Asylgesetz nur von Ausländer*innen begangen werden können; es dürfen keine Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vorliegen, die auf Jugendstrafe lauten

 
1.2 Änderungen des § 25a AufenthG zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende:

  • Erhöhung der Altersgrenze von 21 Jahre auf nun 27 Jahre (positiv)
  • Verringerung der Voraufenthaltszeit von 4 auf 3 Jahre sowie der Dauer des bisherigen Schulbesuchs ebenfalls von 4 auf drei Jahre (sofern noch kein Schul- oder Berufsabschluss vorliegt) (positiv)
  • Einführung einer zwingenden Vorduldungszeit von 12 Monaten vor Erhalt der Aufenthaltserlaubnis (negativ; bislang hat es gereicht, mit Erhalt der Aufenthaltserlaubnis bzw. vor dem 21 Lebensjahr geduldet zu sein; die restlichen Aufenthaltszeiten konnten mit einer Aufenthaltserlaubnis oder/und Gestattung überwiegend erfüllt worden sein)
  • Einführung einer Ausnahmeregelung für den 3-jährigen erfolgreichen Schulbesuch oder alternativ für den Nachweis eines Schul- oder Berufsabschluss bei körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung

 
1.3 Änderungen des § 25b AufenthG zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration:

  • Verringerung der Voraufenthaltszeit von 6 auf 4 Jahre für Personen mit minderjährigen ledigen Kindern
  • Verringerung der Voraufenthaltszeit von 8 auf 6 Jahre für alleinstehende Personen

 
1.4 Materialien zum Nachschlagen


2. Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse – Erweiterung des Zugangs

Ebenfalls mit dem Gesetz zur Einführung des Chancenaufenthalts-Recht ist auch eine positive Änderung beim Zugang zu den Integrationskurse in Kraft getreten.
Danach haben nunmehr alle gestatteten Personen einen Zugang zu den Kursen, wenn auch nachrangig bei freien Platzkapazitäten (nach § 44 Abs. 4 AufenthG für Integrationskurse/§ 45a Abs. 2 für berufsbezogene Deutschkurse). Die bisherigen Beschränkungen bei Gestatteten (auf Personen aus Ländern mit sog. guter Bleibeperspektive oder bei Einreise vor dem 01.08.2019) sind damit entfallen. Umfasst sind damit nun auch Personen aus sog. sicheren Herkunftsländern, die bislang kategorisch ausgeschlossen waren.
Heißt: Der Integrationskurs und der Berufssprachkurs sind nun geöffnet für alle Personen während des Asylverfahrens – unabhängig von Herkunftsland und Einreisedatum.
Ebenfalls umfasst werden auch Personen mit einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG sein. Das darüber informiert ( https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Integration/Integrationskurse/Kurstraeger/Traegerrundschreiben/2022/traegerrundschreiben-21_20221221.pdf?__blob=publicationFile&v=5 ).

3. Bundesverfassungsgericht: AsylbLG-Kürzungen in Flüchtlingsunterkünften für Alleinstehende/Alleinerziehende verfassungswidrig
Am 19.12.2022 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss ( https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/10/ls20221019_1bvl000321.html ) entschieden, dass die pauschale AsylbLG-Leistungskürzung um 10% für Alleinstehende/Alleinerziehende in Flüchtlingsunterkünften (eingeführt unter dem ehem. Bundesinnenminister H. Seehofer in 2019) verfassungswidrig ist. Der Beschluss erging im Kontext eines Einzelfalls einer Person, die bereits AsylbLG-Analogleistungen (§ 2 AsylblG) erhalten hat, wird aber auch übertragen auf Menschen in Unterkünften, die sich noch in den AsylbLG-Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) befinden. Da der Beschluss aber mit Blick auf Analogleistungen ergangen ist, bedeutet dies für Bezieher*innen von AsylbLG-Grundleistungen, dass sie gegen ihre zurückliegenden Bescheide noch Widerspruch/ggf. Überprüfungsantrag einlegen und damit eine rückwirkende Erhöhung bereits erfolgter gekürzter Leistungen bewirken können.
Für die Beratungs- und Unterstützungspraxis dazu ist besonders die Arbeitshilfe der GGUA Münster zu empfehlen ( https://www.einwanderer.net/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/BVerfG_AsylbLG.pdf ).
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat eine umfassende Informationsübersicht inkl. bereits erschienener Beratungshilfen online veröffentlicht ( https://fluechtlingsrat-bw.de/aktuelles/bverfg-asylblg-leistungskuerzungen-verfassungswidrig/ ).

4. Aufruf: Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes – 62 Organisation inkl. Paritätischer Gesamtverband
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf den heute aus Anlass des Inkrafttretens des Bürgergelds veröffentlichen Aufruf von 62 Organisationen, darunter der Paritätische, hinweisen mit der Forderung, endlich das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. Die Pressemeldung des Paritätischen Gesamtverbandes ist hier online: https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/auftruf-asylbewerberleistungsgesetz-abschaffen/ .

Kontakt

Manuel Ermer

Referent

036202 26-207

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Nicole Offhaus

Referentin Jugend(sozial)arbeit | Schule | Migration

036202 26-239

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