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Erasmus+: Was bringt das Programm

JUGEND IN AKTION ist tot, es lebe Erasmus+ JUGEND IN AKTION! Mit Spannung erwartet die deutsche Kinder- und Jugendhilfe und die ganze europäische Jugendarbeit das neue EU-Programm für Bildung, Jugend und Sport.

Nach einer langen Zitterpartie, ob überhaupt etwas vom Jugendprogramm übrigbleibt, nach der ersten Enttäuschung, dass die bestens belegten Erfolge von JUGEND IN AKTION so einfach beiseitegeschoben schienen, nach einem so nie dagewesenen konzertierten politischen Widerstand gegen die Kommissionspläne und der Rekordbeteiligung im Konsultationsverfahren kam das große Aufatmen: Die „Verordnung zur Einrichtung von „Erasmus+“, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport“ wird wohl pünktlich verabschiedet. Erasmus+ wird ein Jugendkapitel haben, das wird „JUGEND IN AKTION“ heißen und mehr Geld gibt es auch.

Formal muss man an dieser Stelle einschränken: Alle Informationen zu Erasmus+, einschließlich derjenigen zur Mittelausstattung, stehen noch unter Vorbehalt der endgültigen Zustimmung des EU-Parlaments und des EU-Rates. Dieser Beschluss wird im Herbst 2013 erwartet.

Erasmus+ - Die Grundlagen

Die Programmarchitektur von Erasmus+ setzt neue Ziele und eine neue, einheitliche Struktur der Förderaktionen. Das Gesamtprogramm fasst drei Bereiche zusammen:

  • Lebenslanges Lernen mit den Teilprogrammen für Schulbildung (Comenius), Hochschulbildung (Erasmus), internationale Hochschulbildung (Erasmus Mundus), berufliche Aus- und Weiterbildung (Leonardo da Vinci) und Erwachsenenbildung (Grundtvig) – auch hier bleiben die Namen erhalten,
  • dazu die eigenen Kapitel für Jugend (JUGEND IN AKTION)
  • und Sport.

Innerhalb dieser Bereiche finden sich jeweils immer die gleichen Förderaktionen (sog. key actions):

  • Lernmobilität von Einzelpersonen,
  • Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation und zum Austausch von bewährten Verfahren
  • Unterstützung von Politikreformen im Jugendbereich

Die Mittelausstattung von Erasmus+

Erasmus+ wird eine Laufzeit von 2014 bis 2020 haben und voraussichtlich über eine Mittelausstattung von 13 Mrd. Euro verfügen. JUGEND IN AKTION wird voraussichtlich mit 1,3 Mrd. Euro statt wie bisher 886 Mio. Euro ausgestattet werden. Das sind gut 10% der Gesamtmittel.

Auf den Bildungsbereich entfallen 77,5 Prozent der Gesamtmittel; dies entspricht einem Anteil von gut 10 Mrd. Euro.

Das neue Erasmus+ JUGEND IN AKTION

  • Lernmobilität von Individuen

In diesem ersten und von den Fördermitteln her größten Aktionsbereich wird es weiterhin Jugendbegegnungen geben, und zwar sowohl bi-, tri- und multilateral. Erhalten bleiben der Europäische Freiwilligendienst und Mobilitätsmaßnahmen für Fachkräfte der Jugendarbeit, zum Beispiel zum Zweck von Training und Vernetzung, also der heutigen Aktion 4.3.

  • Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation und zum Austausch von bewährten Verfahren

Im zweiten Aktionsbereich sollen „strategische Partnerschaften“ unterstützt werden, „die auf die Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Initiativen abzielen, darunter von Jugendinitiativen und Projekten zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement, sozialer Innovation, Beteiligung am demokratischen Leben und Unternehmergeist durch Peer Learning und Erfahrungsaustausch“. und „IT-Plattformen, die Peer Learning, eine wissensbasierte Jugendarbeit, virtuelle Mobilität und den Austausch bewährter Verfahren ermöglichen“ sowie „die Entwicklung, den Kapazitätsaufbau und den Wissensaustausch zwischen Einrichtungen in Programmländern und Partnerländern, insbesondere durch Peer-Learning.“

 Die Jugendinitiativen werden also erwähnt, aber nur noch im Rahmen europäischer Partnerschaften. Das heißt voraussichtlich: Eine Förderung nationaler Jugendinitiativen ist mit dem neuen Programm so nicht mehr möglich. Ob sich hinter „Projekten zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement, sozialer Innovation, Beteiligung am demokratischen Leben“ so etwas wie die bisherigen Jugend-Demokratieprojekte verbergen können, ist abzuwarten.

Unterstützung politischer Reformen

Bleibt der dritte Aktionsbereich. Damit ist im Moment gemeint:

-         der „strukturierte Dialog mit jungen Menschen“,

-         jugendpolitische Aktivitäten im Rahmen der Umsetzung der EU-Jugendstrategie,

-         die „Anwendung der Transparenz- und Anerkennungsinstrumente der Union, insbesondere des Youthpass“,

-         die „Unterstützung unionsweiter Netze und europäischer nichtstaatlicher Jugendorganisationen“,

-         der „politische Dialog mit den relevanten europäischen Beteiligten“.

Jugendliche mit besonderem Förderbedarf bilden weiterhin insgesamt die prioritäre Zielgruppe. Die Zusammenarbeit mit den benachbarten Partnerregionen und die entsprechenden Fördermöglichkeiten bleiben ebenfalls erhalten.

Erfolgreich im Jugendbereich etablierte europäische Instrumente für die Bereiche, Qualifizierung, Anerkennung und Information, also der Youthpass, die SALTO Ressource Centres und das Eurodesk-Jugendinformationsnetzwerk werden voraussichtlich auch weiterhin über das neue EU-Programm gefördert.

Mehr Europa in die Kinder- und Jugendhilfe

Abgesehen von der Tatsache, dass die neue Struktur auch neue Zuschnitte und Formate hervorbringen wird – da ist das Handbuch mit den Förderrichtlinien abzuwarten – bleibt die Ausgangsidee, alle Programme unter das Bildungs- und Beschäftigungsparadigma zu stellen und sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Bereichen zu ermöglichen, oberste Priorität. Davon zeugen die Leitideen des Gesamtprogramms. Den Bezugsrahmen stellen die einschlägigen Beschlüsse zur Bildungs- und Jugendpolitik dar. Maßgeblich sind dabei

  • die Wirtschafts- und Beschäftigungsziele der Strategie Europa 2020,
  • die Ziele des Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020),
  • das Ziel der nachhaltigen Entwicklung des Hochschulwesens in Partnerländern,
  • die allgemeinen Ziele der EU-Jugendstrategie (2010-2018),
  • das Ziel der Entwicklung der europäischen Dimension im Sport
  • und nicht zuletzt die Förderung der europäischen Werte gemäß Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union.

Erasmus+ JUGEND IN AKTION wird politischer

Die inzwischen mehr als ein Jahrzehnt andauernde europäische Zusammenarbeit auf jugendpolitischer Ebene hat Früchte getragen: Das Jugendkapitel in Erasmus+ bildet die Grundlage für einen Programmteil, in dem sehr jugendspezifische Akzente gesetzt werden und in dem Jugendarbeit und Jugendpolitik ihren Beitrag zum gelingenden Aufwachsen junger Menschen leisten können.

Erasmus+ JUGEND IN AKTION kann so - gerade auch angesichts der Steigerung des Budgets - als Instrument der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa dienen, welches die Bedeutung von nicht formalem und informellem Lernen anerkennt, das europäische Bewusstsein junger Menschen befördert und die Teilhabe auch benachteiligter und individuell beeinträchtigter Jugendlicher sichert.

Das neue Programm „soll sich positiv und nachhaltig auf die Politik (...) in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport auswirken.“ und damit eine „systemrelevante Wirkung“ auslösen. Geförderte Maßnahmen sollen darauf abzielen, Veränderungen auf institutioneller Ebene zu fördern, und gegebenenfalls Innovationen auf der Ebene der Systeme bewirken“.

Gedacht ist auch an eine „Ergänzung der politischen Reformen im Jugendbereich auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene“, an „Unterstützung der Entwicklung einer wissens- und evidenzbasierten Jugendpolitik“ sowie „der Anerkennung des nicht formalen und informellen Lernens, insbesondere durch eine verbesserte politische Zusammenarbeit, die bessere Nutzung der Transparenz- und Anerkennungsinstrumente (…) und die Verbreitung bewährter Verfahren“.

Zwei spezifische Ziele des Jugendkapitels sind daher, die „Förderung von Qualitätsverbesserungen in der Jugendarbeit, insbesondere durch verstärkte Zusammenarbeit zwischen den im Jugendbereich tätigen Organisationen und/oder anderen Beteiligten“ sowie der „Ausbau der internationalen Dimension der Aktivitäten im Jugendbereich“.

Erasmus+ will seine Wirkungen daneben auch stark an quantitativen Indikatoren messen lassen. Das sind zunächst einmal die Anzahl der teilnehmenden jungen Menschen, Jugendorganisationen und Nutzer des Eurodesk-Netzes. Und dann die Anzahl der Teilnehmer, die eine Bescheinigung, etwa einen Youthpass, ein Diplom oder eine andere formale Bestätigung ihrer Teilnahme an dem Programm erhalten haben, außerdem die Zahl derjenigen, die erklären, ihre Schlüsselkompetenzen ausgebaut zu haben und die bei Freiwilligenaktivitäten ihre Sprachkenntnisse verbessert haben.

Termine

Die Termine für die Antragstellungen im neuen Programm stehen noch nicht fest. Es ist zum jetzigen Stand der Beratungen davon auszugehen, dass die ersten Antragsfristen für Mobilitätprojekte im Februar 2014 liegen werden. Natürlich geht man auch davon aus, dass es für Erasmus+ JUGEND IN AKTION regelmäßig drei Antragsfristen im Jahr geben wird.

Fragezeichen

Um die Vereinheitlichung von Programmen und Zielen hatte die Kommission mit den Mitgliedstaaten gerungen.

Vor dem Hintergrund massiver Geldprobleme und großer Jugendarbeitslosigkeit argumentierten die Kommission und natürlich einige Mitgliedstaaten, dass die Finanzmittel gezielter für den Beschäftigungssektor ausgegeben werden sollten.

Die aktuelle politische Situation war allerdings nur Anlass für die Kommission, ihre bereits seit 2007 gehegten Pläne, alle Bildungsmöglichkeiten, einschließlich nicht formaler und informeller Bildung, zum Zwecke der Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und Wirtschaftswachstum zusammenzufassen, „um die Effizienz zu steigern, die strategische Ausrichtung zu verstärken und mehr Synergien zwischen den verschiedenen Bereichen auszuschöpfen“.

Und hatten nicht Jugendpolitik und Jugendarbeit selbst schon länger zu Recht behauptet, dass Persönlichkeitsbildung, die Wirkung ihrer Maßnahmen, auch beschäftigungsrelevant sei? Zudem würde ein großes Programm, so die Idee der Kommission, weniger Verwaltungsmittel benötigen als viele kleinere. Da waren der Ruf nach Verwaltungsvereinfachung von Seiten der Programmnutzer (eine „einfachere, benutzerfreundlichere und flexiblere Herangehensweise für die Umsetzung“) und die Sehnsucht nach Einsparmöglichkeiten auf Seiten von Kommission und Mitgliedstaaten eins. Und das Versprechen gilt noch: Der Programmtext sieht vor, dass es „durch die Verwendung von Pauschalbeträgen, Einheitskosten und Pauschalfinanzierungen und die Verringerung der formalen und verwaltungstechnischen Anforderungen an Empfänger und Mitgliedstaaten vereinfacht“ wird.

Drohen Formalisierung und Ökonomisierung?

Der Kompromiss, so scheint es nun, wirft zumindest Fragen auf. Mehrere Aussagen zum neuen Programm legen eine gefühlte Nähe zum formalen Bildungsbereich nahe. So hört man von einer Definition des nicht formalen Lernen als „Lernen, das mit Hilfe von planmäßigem Handeln (in Bezug auf Lernziele und -zeiten) stattfindet und das z.B. durch die Schaffung von einer Schüler-Lehrer-Beziehung unterstützt wird, das jedoch nicht Teil des formalen Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung ist“.

Und wenn dann als „Jugendaktivität“ (warum eigentlich nicht „Jugendarbeit“, immerhin gibt es dazu einschlägige EU-Ratsbeschlüsse?) eine „Aktivität außerhalb der Schule“ definiert wird, „die ein junger Mensch entweder einzeln oder in einer Gruppe – und insbesondere organisiert durch Jugendorganisationen – ausführt und die auf einem Ansatz des nicht formalen Lernens beruht“ - darf man misstrauisch fragen, wie oberlehrerhaft denn die Jugend(verbands)arbeit in Zukunft werden sollte?

Welche Anforderungen solche Zielformulierungen in der Projektförderung nach sich ziehen, wird wohl das Zusammenspiel von Kommissionsrichtlinien und Interpretationsspielraum der Nationalagenturen zeigen.

Das "alte" JUGEND IN AKTION wird abgewickelt

2012 oder 2013 ein Projekt beantragt? Kein Problem. Sowieso ist der 01.10.2013 die letzte Deadline im Programm JUGEND IN AKTION.

Wer sein Projekt danach also 2014 oder sogar bis 2015 durchführt, bleibt mit dem alten JUGEND IN AKTION noch eine Weile beschäftigt. Richtlinien und Schlussverwendungsnachweise richten sich natürlich bis zum Schluss an den zur Antragstellung gültigen Vorgaben.

"Beerdigt" wird das alte JUGEND IN AKTION erst 2016.

Heiter bis wolkig

Die weiteren Aussichten sind eher heiter und ein bisschen wolkig: „Es ist wichtig, die (…) Durchführung (des Programms) in einer möglichst wirkungsvollen und nutzerfreundlichen Weise sicherzustellen und gleichzeitig für Rechtssicherheit und den Zugang aller Teilnehmer zu den Mitteln des Programms zu sorgen“, verlangt der Kompromiss zu Erasmus+. Die Wahrheit wird, wie so oft, im Kleingedruckten liegen. JUGEND für Europa steht jedenfalls in den Startlöchern. Man will am 1. Januar 2014 beginnen und bis dahin möglichst zeitnah Informationen zum Programm und seinen Möglichkeiten vermitteln.

Quelle: https://www.jugendpolitikineuropa.de